Haftung einer Betriebsorganisation für das strafbare Verhalten ihres Handelsvertreters

Urteil des Bundesgerichtshofes vom 15.03.2012, Az: III ZR 148/11

Autor: Alexander Deierling, EMLE, Rechtsanwalt

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

In dem dieser Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein Handelsvertreter mittels einer gefälschten Unterschrift eine Fondsanlage gegen, bzw. ohne den Willen des Anlegers aufgelöst und den Verkaufswert auf sein privates Konto, also das Konto des Handelsvertreters, überweisen lassen.

Einen Anspruch des betrogenen Anlegers auf Schadensersatzleistung gegen die Vertriebsorganisation hat der BGH dem Grunde nach bejaht. Dies begründet der BGH mit einem zwischen dem Anleger und der Vertriebsorganisation bestehenden Vermittlungsverhältnis, welches als Schuldverhältnis anzusehen sei. Aus diesem Vermittlungsverhältnis ergeben sich nachwirkende Schutz- und Treuepflichten, wodurch die Vertriebsorganisation zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Zedenten verpflichtet sei.

Im konkreten Einzelfall wirken die Schutz- und Treuepflichten aus dem ursprünglichen Vermittlungsverhältnis weiter, da die Vertriebsorganisation durch eine von ihr formularmäßig verwendete Klausel sichergestellt habe, dass sie und der jeweils zuständige Untervermittler laufend in einem Kenntnisstand gehalten werden, der die jederzeitige Aufnahme von Vermittlungs- und Beratungsleistungen ermöglicht.

In einem zweiten Schritt stellt der BGH sodann fest, dass sich die Vertriebsorganisation das strafbare Verhalten des Vermittlers, also ihres Handelsvertreters, zurechnen lassen muss. Zwar bestünde kein allgemein gültiger Rechtssatz, wonach der Geschäftsherr sich jede strafbare Handlung von Hilfspersonen nach § 278 BGB zurechnen lassen müsse. Für den vorliegenden Fall bejaht der BGH jedoch das Vorliegen eines unmittelbar sachlichen Zusammenhangs zwischen dem schuldhaften Verhalten des Vermittlers und den Aufgaben, die dem Vermittler durch die Vertriebsorganisation im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren.

Der BGH sieht diesen unmittelbar sachlichen Zusammenhang darin, dass der Vermittler gerade mit seinem durch die Geschäftsbeziehung für die Vertriebsorganisation und des erworbenen Wissens und Arbeitsmaterials die in Frage stehende Straftat verüben konnte. Dies sei ihm, ohne die Übermittlung der relevanten persönlichen Daten des betroffenen Anlegers durch die Vertriebsorganisation sowie die Überlassung von Formularen für die Auflösung von Vermögensanlagen, nicht möglich gewesen.

Schließlich begründet der BGH die Zurechnung nach § 278 BGB damit, dass die Haftung der Betriebsorganisation einer angemessenen Risikoverteilung entsprechen würde. Schließlich handelt es sich bei der Vertriebsorganisation um einen großen Vermittlungsunternehmen, der ständig über die Vermögensanlagen seiner Kunden informiert werden möchte, wofür er sich der Hilfe seiner Vermittler bedient. Dann müsse aber die Vertriebsorganisation im Gegenzug auch für ein diesbezügliches Fehlverhalten der Vermittler einstehen.

Zur Vermeidung der Haftung für ein strafbares Verhalten eines Handelsvertreters können wir einem Maklerhaus somit nur anraten, bereits bei der Auswahl der Handelsvertreter die Zuverlässigkeit genau zu prüfen.
Während des laufenden Vertragsverhältnisses sollte insbesondere im Hinblick auf den Verkauf von Vermögensanlagen geprüft werden, dass die Auszahlung direkt an den Anleger und nicht an den Handelsvertreter erfolgt.

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