Ist der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters unpfändbar?

Autor: Jens Reichow (Jurist, Kanzlei Michaelis, Hamburg)

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Provisionsforderung eines Handelsvertreters können gepfändet werden, dies ist doch klar. Die Pfändung bedeutet aber auch die Übertragung des Provisionsanspruchs zur weiteren Geltendmachung. Ist denn eine Übertragung zur Geltendmachung des Provisionsanspruchs möglich?

Für alle, die mit einer Pfändung von Provisionsansprüchen konfrontiert werden, sind die nachfolgenden Überlegungen zu beachten. Dies betrifft insbesondere den Versicherungsvertreter selbst, wenn es um die Auskunft und Übertragung von Provisionsansprüchen geht. Die Verhaltensanforderungen sind aber auch von den Fachabteilungen der Versicherungsunternehmen zu beachten, die mit Forderungspfändungen der Provisionsansprüche Ihrer Handelsvertreter befasst sind.

Denn ein Urteil des BGH erschwert vielen Versicherungsvermittlern, insbesondere vielen Versicherungsvertretern, derzeit das Vertriebsleben. Es handelt sich um die Entscheidung vom 10.02.2010 (Az.: VIII ZR 53/09). Der Zivilsenat erklärte, dass auch selbstständige Versicherungsvertreter Geheimnisträger im Sinne von § 203 Abs.1 Nr.8 StGB sind.

Damit ist es auch Ihnen unter Strafandrohung verboten, Kundendaten im Bereich Kranken- und Lebensversicherungen an Dritte, insbesondere an andere Vermittler, welche z.B. Ihre Agentur erwerben wollen, zu überlassen. Das Verbot reicht dabei so weit, dass Abtretungen von Provisionsansprüchen nach § 134 BGB nichtig sind, da der Zessionar (Erwerber) mit der Abtretung nach § 402 BGB das Recht zur Offenlegung, der zur Geltendmachung der Provision erforderlichen Informationen, erhalten würde. Diese sind jedoch gerade von § 203 Abs.1 Nr.8 StGB geschützt.

Bestands- und Agenturverkäufe sind danach nur noch mit vorheriger Einwilligung der Versicherungsnehmer möglich.
Auch an anderer Stelle könnte dieses Urteil des BGH der Versicherungsbranche Kopfschmerzen bereiten, nämlich in den Fällen, dass die Pfändung von Provisionsansprüchen droht. Bislang galt es bei einer Pfändung immer zu beachten, dass Provisionen und Provisionsfixbeträge Arbeitseinkommen im Sinne des §§ 850 ff. ZPO sind und daher deren Pfändung nur in engen Grenzen möglich war. Fraglich ist, ob sich dies nun ändert. § 851 Abs.1 ZPO verhindert nämlich die Pfändung von Forderungen, welche nicht übertragbar sind. Mit seinem Urteil vom 10.02.2010 hat der BGH dies für die Übertragung von Provisionsansprüchen gerade festgestellt.

Dies ist auch und gerade vor dem Hintergrund problematisch, dass § 836 Abs.3 ZPO im Fall der Forderungspfändung gerade eine Auskunftspflicht des Schuldners begründet. § 836 Abs.3 ZPO könnte den Versicherungsvertreter also gerade dazu zwingen, dem Gläubiger die Kundengeheimnisse, welche gerade durch die Regelung des § 203 StGB geschützt werden sollen, preiszugeben.

Analog zu der Rechtsprechung zur Pfändung von Honoraransprüchen von Rechtsanwälten und Ärzten führt dies jedoch nicht zur Unpfändbarkeit von Provisionsansprüchen des Versicherungsvertreters.

Die Auskunftsrechte des Gläubigers gegen den Schuldner sind nämlich einzugrenzen (vgl. OLG Stuttgart Urteil vom 11.05.1994 – Az.: 8 W 89/94). Der Geheimnisträger (Versicherungsvertreter) ist daher nur zur Offenlegung von Informationen verpflichtet, welche nicht von § 203 StGB geschützt sind (so auch Diephold in MdR 1993, 835). Hierunter dürfte z.B. die Angabe des reinen Provisionssaldos zählen.

Ist das Provisionssaldo oder sind die einzelnen Provisionsbuchungen hingegen strittig, so dürfte der Gläubiger zur Begründung der Provisionsforderung regelmäßig auf die Offenlegung von nach § 203 StGB geschützten Informationen angewiesen sein. Über diese hat der Versicherungsvertreter jedoch Stillschweigen zu bewahren. Das Interesse der Versicherungsnehmer auf informelle Selbstbestimmung übersteigt insoweit stets das geldwerte Interesse des Vollstreckungsgläubigers.

Im Ergebnis begibt sich der Versicherungsvertreter also stets auf einen „juristischen Drahtseilakt“. Auf der einen Seite ist er stets verpflichtet die erforderlichen Informationen nach § 836 Abs.3 ZPO zu erteilen, um sich vor einer weiteren Inanspruchnahme durch den Vollstreckungsgläubiger zu bewahren, auf der anderen Seite hat er aber ferner auch die nach § 203 Abs.1 StGB besonders geschützten Daten der Versicherungsnehmer zu schützen.

Hierbei gilt es insbesondere zu beachten, dass eine strafrechtliche Verurteilung des Versicherungsvertreters für diesen schwerwiegende Folgen haben könnte. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund des eigentlichen Strafmaßes, sondern auch im Hinblick auf eine dadurch gegebenenfalls bestehende Unzuverlässigkeit im Sinne des GewO, welche Auswirkungen auf die Gewerbeerlaubnis haben könnte.

Versicherungsvertretern ist bei der Pfändung ihrer Provisionsansprüche daher stets zu empfehlen, lediglich die Höhe des Provisionssaldos mitzuteilen und weiterführende Auskünfte zu verweigern. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um Sachversicherungsverträge handelt, da hier § 203 StGB keine Anwendung findet.

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