Der unechte Arbeitnehmer

von Rechtsanwalt Dr. Freitag1 / Rechtsanwalt Michaelis LL.M.2,

Fachanwälte für Arbeits1- und Versicherungsrecht2, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte, Hamburg

Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Trick 1:

Als ersten Trick könnte man den Arbeitsvertrag befristen. Eine sachgrundlose Befristung ist maximal auf einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren zulässig. Dementsprechend könnte der Arbeitsvertrag z. B. auf sechs Monate befristet werden und verlängert sich sodann dreimal um jeweils weitere sechs Monate, wenn nicht vorher von einer der Vertragsparteien gekündigt wird. Wirtschaftlich hätte man den Vorteil, dass ein unproduktiver Arbeitnehmer zeitnah gekündigt werden könnte, um sich vor den Folgen einer weiteren „Gehaltszahlung“ zu entziehen.

Hier bedarf es einer genauen arbeitsrechtlichen Betrachtung. Rechtsanwalt Dr. Freitag weist ausdrücklich darauf hin, dass eine Rückdatierung eines solchen befristeten Arbeitsvertrages nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz rechtlich unwirksam ist. Ebenso ist ein befristeter Arbeitsvertrag gleichwohl unbefristet, wenn schon zuvor ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Eventuell langt auch schon der zuvor bestandene unbefristete Handelsvertretervertrag!

Ferner ist es auch erforderlich, dass vor Aufnahme einer wechselseitigen Tätigkeit der befristete Arbeitsvertrag von beiden Parteien unterschrieben wurde. Anderenfalls finden die besonderen Regelungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes keine Anwendung. Der Arbeitnehmer könnte dann mit einer Frist von drei Wochen nach Ende der Befristung gerichtlich feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis (in Wahrheit) unbefristet ist. Dies ist insoweit interessant, dass bei mehr als 10 Arbeitnehmern dann auch das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Eine schlechte Produktivität eines angestellten Vertrieblers ist zum Beispiel nicht ausreichend, diesen zu kündigen. Es bedarf besonderer Gründe nach dem Kündigungsschutzgesetz. Diese bestehen in nur in einem sehr engen Korridor. Die Praxis zeigt dabei, dass eine wirksame Vertragskündigung unter Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in der Regel sehr schwer ist. Im Zweifel empfiehlt sich eine sofortige Kündigungsschutzklage, welche bereits mit einer Frist von ebenfalls drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung gerichtlich einzureichen ist. In der Regel hat der Arbeitnehmer dann einen Anspruch auf unbefristete Fortbeschäftigung. Die Praxis zeigt überdies, dass man sich in der Regel auf eine angemessene Abfindung einigt, um diesen Anspruch finanziell abzugelten. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Belange eines Arbeitnehmers schutzwürdig sind und dass der Arbeitgeber in der Regel nicht berechtigt ist, eine einseitige Vertragsbeendigung auszusprechen, ohne die nicht unerheblichen finanziellen Folgen (z. B. eine Abfindung) zu tragen.

Trick 2:

Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Gehalt. Der Trick besteht nunmehr darin, dem Arbeitnehmer eine „monatlich garantierte Mindestprovision“ zu zahlen. Diese soll natürlich, je nach Umsatz des Arbeitnehmers, voll verrechenbar sein.

Es ist schon problematisch, ob der Arbeitnehmer nicht einen Anspruch sowohl auf das Gehalt (die vereinbarte monatliche garantierte Mindestprovision) hat und zudem den Anspruch auf die vereinbarten (vollständigen) Provisionen. Es spricht vieles dagegen, dass eine Verrechenbarkeit mit Provisionserlösen gegenüber einem vereinbarten Gehalt überhaupt zulässig ist.

Relativ unstreitig dürfte die Situation sein, wenn die prognostizierten Umsätze des angestellten Außendienstmitarbeiters nicht die „monatlich garantierte Mindestprovision“ erreicht. Denn dieses „Gehalt“ hat der Arbeitnehmer in jedem Fall zu zahlen. Der Arbeitgeber ist auch nicht berechtigt, nachträgliche Provisionsrückforderungsansprüche geltend zu machen und diese nach Belieben mit dem vereinbarten „Gehalt“ zu verrechnen. Mithin findet das ursprüngliche Vergütungsmodell eines Handelsvertreters in der Versicherungsbranche für einen solchen „Arbeitnehmer“ keine weitere Anwendung. Zwar besteht der Wunsch bei einem Arbeitgeber als Vertriebsgesellschaft nur eine erfolgsabhängige und vollständig rückforderbare Vergütung zu bezahlen. Dies gilt aber nur gegenüber dem selbstständig tätigen Handelsvertreter, welcher selbstverständlich eine Berufsausübungserlaubnis nach § 34 d GewO benötigt. Ein Angestellter kann gerade nicht nach den ursprünglich bestehenden gängigen Vergütungsmodellen eines 84er (HGB) entlohnt werden.

Trick 3:

Möglicherweise könnte der Arbeitgeber auch auf die Idee kommen, durch einen Arbeitsvertrag die zwingenden gesetzlichen Schutzregelungen für einen Handelsvertreter zu umgehen. Denn von einem qualifizierten Buchauszug, welcher der Arbeitgeber zur Ermittlung der Provisionsansprüche zu erteilen hat, wäre in einem solchen „Arbeitsvertrag“ natürlich nicht die Rede. Es ist nur ausgiebig geregelt, wann Provisionsansprüche entstehen, und wie diese mit etwaigen Stornierungen verrechnet werden können.

Es ist sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers, dass der Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt werden soll, seine Provisionsansprüche nachzuvollziehen. Die Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch ergibt sich daher aus dem Arbeitsvertrag selbst. Dieser kann auch vertraglich nicht abbedungen werden. In analoger Anwendung muss daher auch die gesetzliche Regelung des § 87 c HGB Anwendung finden. Ein Arbeitgeber, der Provisionsansprüche verspricht, muss auch darlegen, über welche Provisionsansprüche der Arbeitnehmer verfügt. Dementsprechend hat er umfassende Auskunft zu erteilen und muss letztendlich doch einen „qualifizierten Buchauszug“ gegenüber dem Arbeitnehmer erteilen. Die gefestigte BGH-Rechtssprechung wird auch auf einen solchen Arbeitnehmer vollständig anzuwenden sein.

Trick 4:

Vielleicht hat der Arbeitgeber auch das Interesse, seinem „Arbeitnehmer“ keinen Ausgleichsanspruch zuzubilligen, um auf diese Weise die gesetzliche Bestimmung des § 89 b HGB zu umgehen. Sollte ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer kündigen, so würde es verwundern, wenn der „Arbeitnehmer“ nicht doch schlussendlich wegen seiner entgangenen künftigen Provisionen ein Ausgleichsanspruch zustehen würde. Aber auch diese Rechtsfrage ist letztendlich noch nicht durch die Gerichte geklärt, sodass es spannend bleibt, inwieweit ein Arbeitsvertrag zwingende gesetzliche Regelungen möglicherweise aushebeln kann. Eine „Rosinentheorie“, wonach der Arbeitgeber stets nur die für ihn vorteilhaften Regelungen vertraglich vereinbaren kann, wird es aber auf Dauer nicht geben können. Ein solcher „Knebel-Arbeitsvertrag“ führt letztendlich dazu, dass neuerdings auch von einem „Schein-Angestellten“ gesprochen werden muss. Eine Wortschöpfung, die erst seit dem Zulassungszwang des Versicherungsvermittlers neuerdings geschaffen werden muss.

Fazit:

Die Liste der „juristischen Tricks“ lässt sich hier durchaus noch nach Belieben verlängern. Es ist aber kaum vorstellbar, dass die Rechtsprechung derartige trickreiche Arbeitsverträge tolerieren wird. Letztendlich wird nur der untaugliche Versuch unternommen, mittels eines befristeten Arbeitsvertrages dem „unechten Handelsvertreter“ sogar noch Weisungen erteilen zu können, ohne aber die zwingenden Nachteile der Arbeitnehmerschutzgesetze akzeptieren zu wollen. Gerade bei den Arbeitsgerichten ist es kaum vorstellbar, dass derartige „Knebelverträge“ Akzeptanz finden könnten. Jedem „Arbeitnehmer“ ist daher dringend anzuraten, nicht nur dem Wortlaut eines solchen Arbeitsvertrages Glauben zu schenken, sondern die einzelnen Regelungen mit den bestehenden Gesetzen qualifiziert abzugleichen. Anders als bei einem Handelsvertreter, hat ein solcher Arbeitnehmer zum Glück den Vorteil, dass er seine berufliche Tätigkeit Rechtsschutzversichern kann. Anderenfalls hätte er nämlich den weiteren Nachteil zu akzeptieren, dass er in einem Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht grundsätzlich die Kosten seines eigenen Anwaltes selbst zu tragen hätte.

 

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